Der österreichische Arzt Ferdinand von Hebra war Ende des 19. Jahrhunderts der Erste, der Psoriasis als eigenständige Erkrankung beschrieb: ein Meilenstein, da Schuppenflechte zuvor über Jahrhunderte als „weiße Lepra“ bezeichnet und mit der hoch infektiösen Hauterkrankung gleichgesetzt wurde. Heute ist klar: Schuppenflechte ist nicht ansteckend. Aber die Vorurteile sind geblieben.
Sichtbare Hautveränderungen führen noch heute oft zu Stigmatisierung und Diskriminierung. Das wissen besonders Menschen mit Schuppenflechte: Vor allem schwere Erscheinungsformen der Psoriasis lösen bei Mitmenschen teils heftige Emotionen wie Ekel oder Angst vor Ansteckung aus. Ausgrenzung und Ablehnung können die Folge sein – damals wie auch noch heute. Dabei stecken oft nur Unwissen und Vorurteile dahinter.
Mittelalterliche Vorurteile
Die Stigmatisierung reicht lange bis ins Mittelalter zurück, selbst heute als harmlos geltende Infekte konnten zum Tod führen. Die Menschen wussten wenig über Erkrankungen und ihre Entstehung, hatten Angst und versuchten sich daher durch Abgrenzung zu schützten. Psoriasis wurde im Mittelalter oft mit der Lepra gleichgesetzt – und wegen der charakteristischen Hautveränderungen auch als „weiße Lepra“ bezeichnet. Betroffene galten als „unrein“ und ansteckend – mit allen negativen Folgen: Sie wurden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, verbannt oder zum „Schutz der Bevölkerung“ in sogenannte Aussätzigen-Häuser eingewiesen.
Stigmatisierung im Hier und Jetzt
Heute, viele Jahrhunderte später, weiß man: Psoriasis ist zwar immer noch nicht völlig heilbar, aber unter keinen Umständen ansteckend. Dennoch erfahren Betroffene noch immer oftmals aufgrund von Unwissen und Vorurteilen Stigmatisierung, Ausgrenzung und Nachteile im Beruf wie auch in der Freizeit. Daran ändern auch internationale Initiativen nur wenig, wie etwa der Global Report on Psoriasis der WHO, der in Form von Zahlen und Fakten über die Erkrankung aufklärt.
Ein aktuelles Beispiel: In Berlin wurde einem jungen Polizeidienst-Anwärter offenbar aufgrund seiner Schuppenflechte die Verbeamtung verweigert, ohne dass es je zu einer genaueren amtsärztlichen Prüfung gekommen war. Ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht (BVerwG 2 C 12.11), das einen generellen Ausschluss vom Polizeidienst aufgrund von Schuppenflechte nicht erlaubt.
Nachteile erfahren Betroffene aber nicht nur im beruflichen Kontext, sondern auch privat. Nach Recherche der „Bitte berühren“-Redaktion existieren deutschlandweit noch immer mehr als 111 veraltete Badeordnungen öffentlicher Schwimmeinrichtungen, die Menschen mit nicht ansteckenden Hauterkrankungen den Zutritt zum Schwimmbereich verbieten. Gemeinsam mit Netzwerkpartnern und Patientenorganisationen wie dem Deutschen Psoriasis Bund e.V. (DPB) hatte sich der Berufsverband Deutscher Dermatologen e.V. über seine Aufklärungskampagne „Bitte berühren“ das Thema auf die Fahne geschrieben und mit großem Engagement die längst überfällige Diskussion zu diesem Missstand durch Ansprache verschiedenster Medien öffentlich angeregt. Fakt ist: Ob im Beruf oder in der Freizeit – Stigmatisierung und Ablehnung sind für Menschen mit Schuppenflechte auch im 21. Jahrhundert noch Realität.
Aufklärung verhilft zu unbeschwertem Miteinander
Erlebte Diskriminierung aufgrund äußerlicher Merkmale hat weitreichende Folgen: Betroffene ziehen sich zurück (Selbststigmatisierung) und entwickeln ein gestörtes Selbstbewusstsein. Selbst auf das Familienleben, das Miteinander mit Freunden und Kollegen und auch auf die Partnersuche kann sich Psoriasis damit negativ auswirken. Wichtig ist daher, den Kreislauf aus Stigmatisierung und Selbststigmatisierung zu durchbrechen und das eigene Selbstwertgefühl zurückzugewinnen.
Was also tun, um Distanz zu überwinden und Vorurteilen zu begegnen? Betroffene können durch offene Ansprache und einen aufgeklärten Umgang mit der Erkrankung sowohl im privaten Umfeld als auch am Arbeitsplatz dazu beitragen, Ausgrenzung und Mobbing vorzubeugen. Denn häufig ist es Unkenntnis gegenüber einer andersartigen Haut, die zu Konflikten oder problematischen Situationen führen kann, und wo Wissen entsteht, haben Vorurteile weniger Raum.
„Bitte berühren“ macht sich stark für Menschen mit Schuppenflechte. Ziel der bundesweiten Kampagne ist die Aufklärung rund um das Thema Psoriasis, um Vorurteilen und Stigmatisierung entschlossen entgegenzutreten. Die Kampagne spricht das Thema offen an und stellt Betroffenen und ihnen Nahestehenden eine Plattform für Dialog und Erfahrungsaustausch zur Verfügung, mit dem Ziel „mittelalterliche“ Vorurteile, Mythen und Fehlhaltungen im Umgang miteinander gemeinsam zu überwinden. So werden Wege für einen dem heutigen Kenntnisstand der Medizin und der wissenschaftlichen Forschung entsprechenden Umgang mit Psoriasis aufgezeigt, um Betroffenen ein unbeschwert(er)es Leben mit der Erkrankung zu ermöglichen.
Dieser Text ist in freundlicher Kooperation mit der Kampagne “Bitte berühren” des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD) entstanden.
Bernd ist einer der beiden Gründer von Farbenhaut. Er leidet seit über 20 Jahren an Psoriasis, sieht die chronische Hauterkrankung aber mit mehr Gelassenheit als noch vor ein paar Jahren (was ein hartes Stück Arbeit war). Nichtsdestotrotz ist es ihm ein großes Anliegen, Psoriasis einfacher und sozial akzeptierter zu machen.
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