Dermatologen setzen den Wirkstoff Alitretinoin bei schweren Hauterkrankungen, wie beispielsweise chronisches Handekzem und neuerdings auch bei Neurodermitis und Schuppenflechte ein. Studien belegen eine gute Wirksamkeit und zeigen gleichzeitig eine Reihe von Nebenwirkungen. Die Zulassung des Wirkstoffs unterliegt zudem strengen Richtlinien.
Was genau ist Alitretinoin? Wie wird der Wirkstoff angewendet und wie wirkt er? Und welche Patienten dürfen das Vitamin-A-Säure-Derivat überhaupt zu sich nehmen? Wir erklären es dir!
Inhalt:
Was ist Alitretinoin?
Der Wirkstoff Alitretinoin ist mit Vitamin A verwandt und gehört zu der Gruppe der Retinoide. Er wird in Form von Kapseln zur Behandlung von schweren Hauterkrankungen wie dem chronischen Handekzem eingesetzt. Neuerdings verordnen Ärzte das Arzneimittel auch bei Neurodermitis (atopische Dermatitis) und Psoriasis (Schuppenflechte).
Bei Alitretinoin handelt es sich um ein natürlich vorkommendes Hormon, welches in unserem Organismus beim Abbau von Vitamin A produziert wird. Vitamin A und Vitamin-A-Säure spielen eine große Rolle in der Hautgesundheit. Sie steuern den Aufbau, das Wachstum und die Reparatur unserer Haut.
Die Konzentration des Hormons, die im Körper gebildet wird, ist jedoch deutlich geringer als die Konzentration, die zu therapeutischen Zwecken verordnet wird. Alitretinoin wirkt in der Therapie antientzündlich und immunmodulierend. Der Wirkstoff greift demnach regulierend in den Krankheitsprozess im Immunsystem ein.
Diese Präparate sind dabei Patienten mit schweren Verläufen vorbehalten. Meist sprechen diese Betroffenen nicht auf andere Therapieformen, wie beispielsweise starke, örtlich angewendete Glukokortikoide, an. Der Wirkstoff ist verschreibungspflichtig – und darf somit nur von einem Dermatologen verordnet werden. Er ist jedoch häufig mit gravierenden Nebenwirkungen verbunden und ist mit rund 700 Euro Therapiekosten pro Monat zudem sehr teuer.
Wie wirkt Alitretinoin?
Ähnlich wie Vitamin A reguliert auch Alitretinoin das Wachstum und die Differenzierung von Haut- und Schleimhautzellen. Dabei reduziert und reguliert er auch eine erhöhte Zellteilungsrate und lockert durch den Eingriff in die Keratinbildung die Hornschicht der Haut auf. Folglich können oberflächliche Zellen leichter abgestoßen werden.
Retinoide wie Alitretinoin zeigen zudem eine entzündungshemmende Wirkung und unterdrücken das Immunsystem der Haut.
Das Vitamin-A-Säure-Derivat nimmt dabei nur einen geringen Einfluss auf die Absonderung von Talg, was bedeutet, dass der Wirkstoff die Haut nicht austrocknet.
Die beiden wichtigsten Wirkungen für Patienten mit schweren, chronischen Hauterkrankungen sind somit:
- Der Wirkstoff hemmt Entzündungen und
- wirkt regulierend auf die Verhornung der Haut.
Anwendung von Alitretinoin
Arzneimittel mit dem Vitamin-A-Säure-Derivat Alitretinoin werden nicht bei Kindern angewendet, sondern kommen ausschließlich bei Erwachsenen zum Einsatz. Die Therapie mit diesem Wirkstoff wird Patienten verordnet, bei denen die Behandlung mit anderen topisch wirkenden Wirkstoffen keine Besserung zeigt.
Der behandelnde Dermatologe überwacht dabei streng die Therapie und Wirkung des Präparats.
Dosierung und Dauer der Behandlung
Die genaue Anwendung und Dauer der Therapie richten sich stets nach der Art der Symptome, der Ausprägung und dem Verlauf der Erkrankung. Dein Arzt wird dir eine individuelle auf dich abgestimmte Anweisung zur Einnahme des Wirkstoffs geben.
Der Wirkstoff wird in Form von Kapseln in den Dosierungen 10-mg oder 30-mg über drei bis sechs Monate einmal täglich eingenommen.
Die Therapie endet, wenn sich der gewünschte Therapieerfolg einstellt. Ein Ausschleichen der Behandlung ist dabei nicht notwendig.
Nach dem Absetzen der Therapie kann es vorkommen, dass die Symptome und Beschwerden erneut auftreten. In diesem Fall verschreibt dein Arzt dir nach individueller Abwägung eine weitere Behandlung.
Vorsicht: Wer darf Alitretinoin NICHT anwenden?
Vor einer Behandlung müssen diverse Kontraindikationen geprüft werden, die gegen eine Anwendung des Arzneimittels sprechen. Dazu zählen beispielsweise:
- Schwangerschaft und Stillzeit,
- Überempfindlichkeit gegenüber Retinoiden,
- Erkrankungen der Leber oder Niere,
- zeitgleiche Behandlung mit Tetrazyklinen oder Methotrexat,
- vererbbare Fruktoseintoleranz,
- Allergie gegen Erdnüsse oder Soja,
- unkontrollierte Hypercholesterinämie oder Hypertriglyceridämie (Fettstoffwechselstörungen),
- unkontrollierter Hypothyreoidismus (Schilddrüsenunterfunktion),
- Hypervitaminose A (hoher Vitamin-A-Spiegel im Körper).
Mediziner stufen Alitretinoin – wie alle Vitamin-A-Präparate – als embryonenschädigend (teratogen) ein, da der Wirkstoff bei einem ungeborenen Baby zu schweren Missbildungen führen kann. Zudem erhöht das Arzneimittel das Risiko für eine Fehlgeburt.
Daher erfordert der Einsatz des Wirkstoffs eine strenge Schwangerschaftsverhütung bei Frauen im gebärfähigen Alter. Der Empfängnisschutz sollte daher mit einer hochwirksamen Verhütungsmethode sichergestellt werden. Dies gilt einen Monat vor Beginn, während der gesamten Therapie und mindestens vier Wochen über das Ende der Behandlung hinaus.
Patienten, die das Arzneimittel Alitretinoin einnehmen, dürfen zudem während der Therapie und einen Monat danach kein Blut spenden. Der Grund: Wenn eine schwangere Frau dieses Blut erhält, kann es zu schweren Schädigungen beim Baby kommen.
Ferner solltest du berücksichtigen, dass die Wirkung des Präparats die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen einschränken kann. Und natürlich darfst du das Medikament keinesfalls weiterreichen – auch wenn die andere Person ähnliche Symptome zeigt wie du.
Nebenwirkungen
Mediziner sprechen von einer guten Verträglichkeit des Wirkstoffs Alitretinoin. Dennoch kommt es dosisabhängig zu unerwünschten Wirkungen.
Zu solch möglichen Nebenwirkungen gehören:
- Kopfschmerzen,
- kurzzeitiger Anstieg von Cholesterin- und Triglyzerid-Werten,
- Hautrötung (Erytheme),
- Gesichtsrötung,
- Schwindel,
- Übelkeit,
- trockene Lippen oder
- trockene Haut.
Kopfschmerzen und Anstieg der Blutfettwerte sind dabei die häufigsten Nebenwirkungen. Die veränderten Werte normalisieren sich jedoch im Laufe von wenigen Wochen nach Absetzen des Wirkstoffs.
Wichtig ist zudem, dass der Wirkstoff nicht mit anderen Vitamin-A-Präparaten, retinoidhaltigen Arzneimitteln, Methotrexat oder Tetrazykline (Gruppe von Antibiotika) eingenommen wird.
Außerdem gilt Alitretinoin als schwach phototoxisch, daher kann UV-Strahlung während der Therapie schnell zu Hautreizungen führen.
Alitretinoin: Wirksamkeit bei Neurodermitis und Schuppenflechte
Alitretinoin ist bereits seit einiger Zeit zur Behandlung von chronischen Handekzemen, Akne sowie Psoriasis (Schuppenflechte) zugelassen. Das Arzneimittel zeigt hierbei eine gute Wirkung. Neuerdings zählt der Wirkstoff auch zu den Empfehlungen zur Systemtherapie einer atopischen Dermatitis (Neurodermitis).
Studien untersuchten hierzu die Wirksamkeit der Substanz bei Betroffenen von atopischer Dermatitis, welche unter einem schweren Handekzem leiden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Ekzem an der Hand und auch die Beschwerden der Neurodermitis bei einer Therapie mit Alitretinoin deutlich bessern.
Das Präparat ist demnach insbesondere für Patienten, die an Neurodermitis und einem Handekzem leiden relevant. Dermatologen ziehen Alitretinoin als Maßnahme bei der vierten Stufe im Rahmen der Stufentherapie bei Neurodermitis in Betracht.
Sowohl bei Schuppenflechte (Psoriasis) als auch bei Neurodermitis kann dein Arzt dir nach gründlicher Abwägung aller Risiken also eine entsprechende Therapie verordnen. Dies wird von Dermatologen jedoch erst bei einem schweren Verlauf in Betracht gezogen.
Gute Wirksamkeit – Doch Vorsicht: Begrenzte Zulassung
Der Wirkstoff Alitretinoin zeigt in diversen Studien eine gute Wirksamkeit bei schweren Hauterkrankungen. Ärzte setzen die Präparate mittlerweile auch bei besonders schweren Verläufen von Neurodermitis und Schuppenflechte (Psoriasis) ein. Insbesondere dann, wenn die lokale Therapie mit stark wirksamen Kortikoiden keine ausreichende Linderung und Heilung bringt.
Alitretinoin wird dabei gut von den Patienten vertragen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen, wie bei anderen Retinoiden auch, Kopfschmerzen und erhöhte Blutfette. Diese Nebenwirkungen sind aber stets dosisabhängig und klingen nach Absetzen der Arzneimittel recht schnell ab.
Jedoch gibt es eine Reihe von Kontraindikationen, die vor einer Anwendung streng geprüft werden müssen. Besonders wichtig ist dabei, dass Alitretinoin als embryonenschädigend gilt und eine Therapie daher keinesfalls in der Schwangerschaft oder Stillzeit durchgeführt werden darf.
Hast du bereits Erfahrung mit Alitretinoin gemacht? Wie verlief die Behandlung bei dir? Erzähle es uns auch gerne in unserer Facebook-Gruppe!
FAQ zu Alitretinoin
Warum keine Therapie mit Alitretinoin in der Schwangerschaft?
Alitretinoin gilt, ebenso wie alle anderen Vitamin-A-Präparate, als teratogen (embryonenschädigend). Eine Behandlung mit dem Wirkstoff während der Schwangerschaft kann bei einem ungeborenen Baby zu schwersten Missbildungen und/oder einer Fehlgeburt führen.
Hilft Alitretinoin bei Neurodermitis (atopische Dermatitis)?
Ärzte setzen das Vitamin-A-Säure-Derivat bereits erfolgreich bei der Therapie von schweren Hauterkrankungen wie dem chronischen Handekzem oder auch Psoriasis (Schuppenflechte) ein. Seit einigen Jahren führen Mediziner auch Studien zur Wirksamkeit des Präparats bei Patienten mit Neurodermitis durch. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere Betroffene von atopischer Dermatitis mit einem schweren Handekzem von der Wirksamkeit profitieren. Daher wird der Wirkstoff mittlerweile auch bei sehr schweren Verläufen von atopischer Dermatitis im Rahmen einer Systemtherapie angewendet.
Wie lange dauert eine Behandlung mit Alitretinoin?
Eine Therapie mit Alitretinoin dauert durchschnittlich drei bis sechs Monate. Grundsätzlich wird der Einsatz des Arzneimittels dann eingestellt, wenn sich ein Erfolg einstellt. Dabei wird der Wirkstoff in Form von Kapseln in den Dosierungen 10-mg oder 30-mg einmal täglich zu den Mahlzeiten eingenommen.
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Quellen:
Kim H.J., Lee S.K., Baek J., Roh J.Y. (2019): „Use of alitretinoin in moderate to severe chronic hand eczema: A real-world experience in Korea“, in: Dermatologic therapy. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31168895/ (Zugriff am 26.06.2021)
Molin S., Ruzicka T. (2008): „Alitretinoin“, in: Der Hautarzt. URL: https://link.springer.com/article/10.1007/s00105-008-1559-2 (Zugriff am 26.06.2021)
Paulden M., Rodgers M., Griffin S. et al. (2010): „Alitretinoin for the treatment of severe chronic hand eczema“, in: Health technology assessment. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20507802/ (Zugriff am 26.06.2021)
Son J.H., Park S.Y., Cho Y.S. et al. (2017): „Two Cases of Successful Treatment of Refractory Chronic Inflammatory Skin Disease, Atopic Dermatitis and Psoriasis with Oral Alitretinoin“, in: Annals of Dermatology. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28761307/ (Zugriff am 26.06.2021)
Werfel T., Heratizadeh A., Aberer W. et al. (2021): „Aktualisierung ‚Systemtherapie bei Neurodermitis‘ zur S2k-Leitlinie Neurodermitis“, in: Journal of the German Society of Dermatology. URL: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.14371_g (Zugriff am 26.06.2021)
Eugenie ist die “gute Haut” von Farbenhaut und leidet nicht selbst an Schuppenflechte. Durch Familienangehörige ist sie jedoch bestens damit vertraut. Seit Januar 2019 liefert sie regelmäßig spannende Texte und weiß dem Leser Inhalte näherzubringen.
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