Henni hat die klassische Psorisais-“Laufbahn” hinter sich. Als Kind die wenig empathische Diagnose eines Hautarztes, verstecken, viel Kortison und Fassade aufbauen. Als es dann alles nicht mehr funktionierte und die Nebenwirkungen der Medikamente ihr zusetzten, kam das seelische Tief. Wie ihr das Jugendcamp des Deutschen Psoraisis Bundes bei der Bewältigung half und warum sie heute sogar Mentorin ist, erfährst du im neuen Skinfluencer Interview.

Die Interview-Reihe mit Psoriasis-Betroffenen: Skinfluencer

Es ist wieder soweit! Ein weiteres Interview in unserer Reihe „Skinfluencer“ erscheint. Im Mittelpunkt stehen dabei immer ganz normale Schuppenflechte-Patienten – so wie du und ich. Zukünftig werden in regelmäßigen Abständen bei Farbenhaut Interviews mit Leidensgenossen erscheinen – zusätzlich zu informativen Berichten und anderen Specials. An dieser Stelle bedanken wir uns bei Henni für das heutige Interview. Sie war mutig und teilt hier ihre Geschichte. Unsere bisherigen Interviews findest du übrigens an dieser Stelle.

Das Interview mit Henni

1. Willst du dich kurz vorstellen und uns etwas zu deinem bisherigen Krankheitsverlauf erzählen?

Ich werde eigentlich von allen nur Henni genannt. Die kleine laute Henni mit der Hamburger Schnauze. Da komme ich nämlich her! Jeder kannte nur das laute Mädchen, dass immer gut drauf war und stets einen kecken Kommentar hervorbrachte. Auch dann noch, als sie im Herbst 2007 Schuppenflechte diagnostiziert bekam. Nachdem ich im Sommerurlaub den ersten Schub bekam, dauerte es ganze 3 Monate, ehe man diese Krankheit feststellte: Schuppenflechte – unheilbar.
Diese Diagnose wollte ich lange Zeit nicht wahrhaben. War lange Zeit der Meinung, es sei doch nicht so schlimm und schmierte ganze 5 Jahre nur Kortison und hielt das Bild der gut gelaunten Henni aufrecht. Wie schlecht es mir unter dieser Fassade ging, war mir selbst nicht bewusst.
Bis ich mit fast 20 Jahren den Schlussstrich unter meine erste große Liebe zog. Ich fiel in ein Loch voller Alkohol, Parties und Zigaretten, wenig zu schlafen war an der Tagesordnung. Gleichzeitig schrieb ich Abitur. Wie schlecht mir das tat, war mir bis dato nicht einmal ansatzweise bewusst, und kurz darauf war mein Körper zu rund 90% von der Schuppenflechte befallen. Meine Familie und ich beschlossen, dass ich eine Auszeit nehmen musste nach dem Abitur. Ich ging auf Kur und wurde auf Fumaderm eingestellt und es ging mir nach langer Quälerei zwar vom Befund her deutlich besser, aber die Nebenwirkungen hatten mich stets fest im Griff. Jedes Mal, wenn wir versuchten, das Fumaderm zu reduzieren, ging der Schub wieder los. Es fühlte sich an wie der reinste Teufelskreis.
2014 bin ich dann das erste Mal im Psoriasis-Jugendcamp vom DPB (Deutscher Psoriasis Bund e.V. – Selbsthilfe bei Schuppenflechte) gewesen. Und alles hat sich geändert. Ich habe so viel über meine Krankheit erfahren, dass sie mich nicht mehr gelähmt hat. Ich habe meine Ernährung umgestellt, 20kg abgenommen und mein Leben aufgeräumt. Ein langer Weg, aber heute rund 4 Jahre später geht es mir gut! Besser als gut! Ich lebe ohne Medikamente und Cremes fast beschwerdefrei und weiß, wer ich bin, was ich brauche, was mir guttut und wovon ich mich fernhalten muss. Mittlerweile bin ich sogar selbst aktiv als Jugendmentorin beim DPB, um anderen Betroffenen zu helfen, sich selbst zu helfen. Ich bin immer noch die kleine Henni, die auch gerne laut lacht, aber aus vollem Herzen und nicht für die Fassade.

2. Was hat sich bei dir seit dem Ausbruch der Krankheit verändert?

Ich – mich! Ich habe mich selber kennengelernt und wie die Krankheit mich verändert. Ich habe gelernt, dass sie ein Teil von mir ist. Ein Teil, der mich besonders macht und mich immer wieder daran erinnert, dass ich verdammt stark bin.

3. Welche Therapien hast du bereits ausprobiert und was wurde daraus?

Ich habe 5 Jahre lang Kortison geschmiert, ohne von den Nebenwirkungen zu wissen. Anschließend wurde ich auf Fumaderm eingestellt und habe zu Beginn sehr unter den Nebenwirkungen gelitten. Aber da muss man durch und es wird besser – versprochen! Nach 3-4 Monaten hatte mein Körper sich daran gewöhnt und ich mein Leben soweit an die Nebenwirkungen angepasst, dass es erträglich war. Ich setzte es mehrmals ab und begann wieder von neuem, da ich das Fumaderm immer gut vertrug, sagten zumindest meine Blutwerte. 2015 war ich sogar ohne Medikamente das erste Mal ganz beschwerdefrei.
2016 hingegen wurde ich erneut auf Fumaderm eingestellt und nahm fast 20kg ab, weil ich das Fumaderm ohne Zucker zu essen besser vertrug. Doch 2017 litt ich unter chronischer Müdigkeit, verursacht durch das Fumaderm, sodass ich es erneut absetzten musste. Unterm Strich litt ich immer dann unter Nebenwirkungen, wenn ich ohne Fumaderm neue Stellen bekommen hätte. Medikamente verlagern das Problem, meiner Meinung nach, eben nur.
2014 begann ich als Nachwirkung des Jugendcamps eine Hypnosetherapie, die ich nach wie vor absolviere. Im Zuge dieser Therapie habe ich mein Leben aufgeräumt und mich von vielen Verhaltensweisen verabschiedet.
Die Einsicht, dass ich sensibler bin als andere und mich andere Menschen, vielleicht schneller, verletzten können, prägt mich! Ich habe mich selber kennengelernt und wie die Krankheit mich verändert. Ich habe gelernt, dass sie ein Teil von mir ist. Ein Teil, der mich besonders macht und mich immer wieder daran erinnert, dass ich verdammt stark bin. Sie macht mich stärker. Ich habe gelernt, wer ich bin und was die Schuppenflechte mir zeigt. Sie zeigt mir nämlich jedes Mal, dass ich mich übernommen habe, zu viel ausgehalten habe – auf mentaler als auch körperlicher Ebene.

4. Welche Tipps und Tricks kannst du allgemein an andere Betroffene weitergeben?

Akzeptiert die Schuppenflechte als eine Krankheit, der ihr gerecht werden müsst. Es ist nicht bloß eine rote Stelle an eurem Ellbogen, sondern eine Erkrankung eures gesamten Organismus’. Und ist der Körper krank, leidet die Seele und andersrum. Durchbrecht diesen Teufelskreis und konzentriert euch für eine gewisse Zeit auf euch, reflektiert schlechte Verhaltensweisen und sucht euch Hilfe, ob unter Gleichgesinnten oder von professioneller Art.

5. Was war dein positivstes, was dein negativstes Erlebnis im Zusammenhang mit Schuppenflechte?

Mein negativstes Erlebnis war der Moment der Diagnose. Indem meiner Mutter mit keinerlei Feinfühligkeit erklärt wurde, dass ihre Tochter an Psoriasis erkrankt sei – einer unheilbaren Krankheit, die sich im späteren Leben auf mehr als nur die Haut auswirken würde. Und ich saß daneben. Als das kleine verzweifelte Mädchen, über das in der dritten Person geredet wurde, obwohl es doch nur um sie ging.
Mein positivstes Erlebnis mit der Schuppenflechte war ein Brief, den ich im ersten Jugendcamp schreiben sollten und ihn 4 Monate später, zu Weihnachten, öffnen sollte. Ich war damals zwar erscheinungsfrei, aber seelisch und mit der Krankheit als auch den Nebenwirkungen alleine. Sogar auf meiner Kur war ich die einzige Jugendliche mit Schuppenflechte und fragte mich, warum ich? Warum keiner sonst in meinem Alter?
Doch als ich von diesem Jugendcamp nachhause fuhr, fühlte ich mich frei und selbstbewusst. Ich wusste auf einmal, dass ich nicht alleine war. Dass es so viele Jugendliche gab, die so dachten wie ich. Die schlichtweg überfordert waren, aber sich selbst helfen konnten. Und das machte mir Mut, mir auch selbst zu helfen. In dem damaligen Camp schrieb ich also einen Brief, in dem ich mir Ziele setzte und als ich ihn Weihnachten erneut las, platzte ich fast vor Stolz. Trotz dieser Einsamkeit und der absoluten Verzweiflung, hatte ich in kurzer Zeit die ersten Steine beseitigt und die Weichen neu gestellt. Ein Moment, indem ich mutig und voller Kampfgeist der Psoriasis entgegen schritt.

6. Was läuft deiner Meinung nach derzeit im Umgang mit Psoriasis falsch?

Die Menschen sehen die Psoriasis nicht als Krankheit. Geschweige denn als eine Krankheit, die sich auf Haut und Psyche auswirkt und mehrere Begleiterkrankungen mit sich bringen kann. Die Menschen leiden darunter und schaffen oft nicht den Absprung, um sich zu helfen. Sie kämpfen nicht, sondern lassen es über sich ergehen. Schlichtweg weil die Ärzte, als auch die Patienten selbst, nicht genügend aufgeklärt sind und in der heutigen Gesellschaft alleine dastehen. Wie viele denken nach wie vor, dass Schuppenflechte ansteckend sei? Wie viele Ärzte wissen weniger über die Krankheit als Betroffene selbst? Patienten müssten sich dementsprechend selbst aufklären und wenigstens ihre Umwelt für das Thema sensibilisieren.

7. Was würdest du zu Jemandem sagen, der kürzlich die Diagnose Psoriasis bekommen hat?

Komm ins Jugendcamp und hilf dir selbst! – zumindest würde ich das Jugendlichen oder Kindern sagen.
Erwachsenen würde ich aber das gleiche raten: Akzeptiere die Krankheit als Teil von dir und hör’ auf, sie herunter zu spielen. Nimm sie ernst und handle daraus. Ziehe Grenzen und schmiede Pläne, wie du die Psoriasis als Teil von dir besänftigen kannst. Suche dir jemanden zum Reden und fang an wieder zu leben! Der Weg ist schließlich das Ziel!

8. Welche Themen bzw. Schwerpunkte würdest du dir zukünftig bei Farbenhaut wünschen?

Aufklärung über alternative Therapiemöglichkeiten, wie Hypnosetherapien, Heilpraktiker und chinesische Medizin

[Anmerkung der Redaktion: Weitere Informationen und die Anmeldung zum Jugendcamp in Duisburg vom 26.7 bis 29.07.2018 erhältst du an dieser Stelle. Teilnehmen können Jugendliche und junge Erwachsene ab 15 Jahren.]

Du möchtest auch deine Geschichte teilen?

Nun bist du an der Reihe! Hilf mit, Psoriasis vom fauchenden Löwen zum zahmen Kätzchen zu machen. Mach anderen Mut, offener und selbstbewusster mit der eigenen Krankheit und dem eigenen Körper umzugehen. Verrate deine Tricks, was dich zum Lachen oder zum Verzweifeln bringt. Und wie Willy Brandt schon zu sagen pflegte: „Der beste Weg die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten“. Hilf also auch du mit, die Geschichte von Psoriasis neu zu schreiben und erzähle mindestens zwei Millionen Betroffenen im deutschsprachigen Raum deine Story.