Beeinflusst Neurodermitis ADHS? Diese Frage stellt sich den Medizinern bereits seit Jahren. Denn beide Erkrankungen zählen in Deutschland zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. Und obwohl die zwei Krankheitsbilder unterschiedlich sind, treten sie auffällig oft zusammen auf. Ist es also möglich, dass Neurodermitis die Entstehung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) begünstigt und das Risiko somit steigt?
Wir erklären dir, warum ein Zusammenhang durchaus möglich ist, und zeigen dir den aktuellen Wissensstand der Ärzte.
Inhalt:
Was ist ADHS?
Ärzte definieren ADHS als eine psychiatrische Störung, gekennzeichnet durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität.
Die gängige Abkürzung ADHS steht dabei für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Eine weitere Bezeichnung für diese Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung lautet Hyperkinetisches Syndrom (HKS). Der charakteristische Bewegungsdrang vieler betroffener Kinder verlieh der Erkrankung im Volksmund zudem den Namen „Zappelphilipp-Syndrom“.
Hinter der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung verbirgt sich eine ernst zu nehmende psychische Auffälligkeit insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Bei etwa drei von vier Patienten bleibt die Erkrankung bis ins Erwachsenenalter bestehen.
Die Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Menschen und auch das ihrer Angehörigen stark. Nicht selten zeigen Betroffene schwerwiegende familiäre Probleme, Schulversagen, Schwierigkeiten im Berufsleben und auch weitere Störungen auf. So beobachten Ärzte bei rund 90 Prozent der Betroffenen beispielsweise eine Störung des Sozialverhaltens oder Angststörungen.
Häufigkeit der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung
Es stellt sich auch heute noch als schwierig heraus, eine genaue Aussage zur Häufigkeit der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung zu treffen. Denn die Zahlen schwanken in Abhängigkeit von den zugrunde liegenden Diagnosekriterien. Zudem vermuten Wissenschaftler eine vermutlich hohe Dunkelziffer an nicht diagnostizierten Fällen von ADHS.
Mediziner gehen aber davon aus, dass weltweit rund fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen an der krankhaften Störung leiden. Dabei sind Jungen drei- bis sechsmal häufiger betroffen als Mädchen.
Ursachen der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung
Trotz intensiver Auseinandersetzung mit der Krankheit sind die Ursachen und Entstehungsmechanismen von ADHS bis heute nur wenig geklärt.
Grundsätzlich gehen Wissenschaftler aber davon aus, dass mindestens zwei der folgenden drei Faktoren als Ursache fungieren:
- Genetische Faktoren,
- Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie
- Umweltfaktoren.
Basierend auf den Ergebnissen von diversen Familien- und Zwillingsstudien gehen Wissenschaftler von einer starken genetischen Komponente aus.
Gestützt werden diese Ergebnisse durch Untersuchungen des Gehirns, welche eine veränderte Aktivität aufzeigen, so beispielsweise im präfrontalen Kortex. Diese Region des Gehirns ist neben anderen Bereichen auch zuständig für unser zielgerichtetes Handeln. Der präfrontale Kortex ist zudem maßgeblich für die Steuerung der Aufmerksamkeit verantwortlich.
Die genetischen Faktoren wirken dabei laut Wissenschaftlern häufig mit zusätzlichen Einflussfaktoren zusammen. Dazu zählen neben Umweltfaktoren nicht selten auch Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen.
Die Folge dieses Zusammenwirkens führt zu sogenannten Entwicklungsabweichungen neuronaler Regelkreise, wie etwa Veränderungen im Neurotransmittersystem.
Belastungen in der Schwangerschaft, wie Nikotin- oder Alkoholkonsum der Mutter, oder auch andere Komplikationen während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko für eine ADHS-Erkrankung.
Aber auch soziale Einflüsse und Umweltfaktoren verstärken oftmals die genetische Disposition für ADHS. Sie bestimmen folglich auch über den Ausbruch oder den weiteren Verlauf der Erkrankung.
Dazu zählen beispielsweise:
- allgemeiner Stress,
- familiäre Bedingungen,
- Bedingungen im Kindergarten / Schule / Ausbildung,
- aber auch soziale Bedingungen im Freundeskreis und Partnerschaft.
Auch wenn diese Einflüsse kaum die alleinigen Ursachen sind, so sind sich Ärzte sicher, dass sie die Symptome der Krankheit verstärken können.
Symptome und Verlauf von ADHS
Die ersten Symptome einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung treten häufig noch vor dem sechsten Lebensjahr auf. Bei drei von vier Patienten – also bei rund 75 Prozent der Betroffenen – bleiben diese bis ins Erwachsenenalter bestehen.
Ärzte teilen die Symptome grundsätzlich in drei Kernbereiche ein:
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwächen,
- impulsive Verhaltensweisen und
- ausgeprägte Unruhe.
ADHS bei Babys und Kleinkindern
Im Baby- und Kleinkindalter zeigt sich die Störung durch ein sehr hohes Aktivitätsniveau der Kinder. Die Grundstimmung dieser Kinder ist nicht selten gereizt, sie wirken unruhig (Hyperaktivität), unausgeglichen und schreien sehr viel.
Oftmals leiden die Betroffenen unter Problemen bei der Nahrungsaufnahme, Verdauung und Schlafproblemen. Teilweise zeigen sich auch Entwicklungsstörungen, so fangen die Kinder beispielsweise später an zu laufen oder zu sprechen als andere Kinder.
Im Kindergartenalter zeigt sich zudem eine mangelnde soziale Integrierbarkeit, teils extreme Wutausbrüche und die Nichtbeachtung von Grenzen und Anweisungen. Es fällt den kleinen Patienten zum Beispiel schwer, sich ruhig und ausdauernd mit einem Spiel zu beschäftigen.
Und auch eine verzögerte Entwicklung der Grob- und Feinmotorik ist nicht selten. Viele Betroffene tun sich beispielsweise schwer, mit einer Schere zu schneiden oder Bilder auszumalen.
ADHS bei Kindern und Jugendlichen
Die Symptome nehmen mit dem Eintritt in die Schule häufig noch zu. Die neuen Anforderungen nach Ruhe, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit überfordern die Kinder und spiegeln sich dann im Lern- und Leistungsbereich wider.
Hier kommen die Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität besonders stark zur Geltung. Hausaufgaben, Lesen und Schreiben werden zur täglichen Belastung für betroffene Kinder und Jugendliche.
Die Folge ist oftmals eine innerfamiliär ablaufende Stressspirale, denn auch die Eltern reagieren meist hilflos oder gar unangemessen.
ADHS bei Erwachsenen
Im Erwachsenenalter wandeln sich die Symptome häufig – das ständige Gefühl der inneren Unruhe löst die Hyperaktivität ab. Die Impulsivität zeigt sich oftmals in Ungeduld oder auch aggressiven Verhaltensweisen, so beispielsweise beim Autofahren.
Zu teils schwerwiegenden Folgen kommt es durch die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme. Diese wirken sich sowohl in beruflichen als auch in privaten Lebensbereichen aus.
Die Symptome von ADHS können sich mit zunehmendem Alter verändern, reduzieren oder in einigen Fällen auch gänzlich verschwinden.
Wichtig ist, dass einzelne Symptome einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung durchaus auch bei „gesunden“ Kindern und Erwachsenen auftreten können.
Daher führt ein erfahrener Arzt oder Psychotherapeut diverse Untersuchungen durch und beobachtet die Auffälligkeiten über einen längeren Zeitraum. Dieser umfasst mindestens sechs Monate, bevor der Experte eine offizielle Diagnose erstellt. Das Ausmaß und die Stärke der Symptome sind hierbei entscheidend.
Beeinflusst Neurodermitis ADHS?
Neurodermitis und die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung zählen in Deutschland zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter – und treten auffällig häufig parallel auf.
Wissenschaftler und Ärzte suchen nach einer Verbindung zwischen beiden Krankheiten. Doch trotz diverser Studien gilt die wissenschaftliche Beweislage auch heute noch als zu niedrig. Demnach sollten wir die Aussage mancher Forscher, dass Neurodermitis das Risiko für ADHS erhöht, nur mit Vorsicht betrachten.
Dennoch wirft das oftmals gemeinsame Auftreten von Neurodermitis und der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung Fragen auf:
- Besteht eine Verbindung zwischen den beiden Krankheiten?
- Ist eine der Krankheiten die Ursache für die andere Krankheit?
- Oder haben beide Krankheiten eine gemeinsame Ursache?
Auch die Durchführung diverser wissenschaftlicher Studien konnte diese Fragen leider bis dato noch nicht abschließend klären.
Erklärungsversuch: Stress
Auch wenn die Wissenschaft noch keine eindeutigen Antworten liefern kann, so gibt sie uns einige Erklärungsversuche, die einen Zusammenhang teilweise begründen.
So zeigen durchgeführte Studien weltweit, dass Kinder mit Neurodermitis ein rund 50 Prozent erhöhtes Risiko einer ADHS aufweisen. Insbesondere eine frühkindliche atopische Dermatitis führt häufig zu einer späteren Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung.
Zahlreiche Mediziner gehen davon aus, dass dabei die Beschwerden und Symptome von Neurodermitis das Auftreten einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung begünstigen können. Das entscheidende Bindeglied ist hierbei der Stress, unter dem Betroffene von atopischer Dermatitis leiden.
Zu den Stress auslösenden Faktoren bei Patienten mit Neurodermitis zählen besonders chronische Schmerzen, quälender Juckreiz und Schlafstörungen.
Stress schwächt grundsätzlich das Immunsystem, belastet die Psyche und den Körper und führt nicht selten zu psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Dazu zählen beispielsweise Allergien oder eben auch ADHS. Problematisch ist nur, dass es hierzu kaum aussagekräftige Studienergebnisse gibt, die diese Vermutungen stützen.
Eine erfolgreiche Therapie der ADHS führt zu psychischer Stabilität – und diese wiederum reduziert den empfundenen Stress und somit oftmals auch die Ausprägung der Neurodermitis. Wichtig zu verstehen ist hierbei, dass beide Erkrankungen sich in ihrer Schwere gegenseitig beeinflussen.
Neurodermitis ist bei diesem Erklärungsversuch also nicht die Ursache der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Beide Krankheiten können die jeweils andere Erkrankung jedoch verstärken oder bei entsprechender genetischer Veranlagung erst auslösen.
Erklärungsversuch auf physiologischer Ebene
Ein Erklärungsversuch auf anderer Ebene rückt Zytokine in den Vordergrund. Diese Botenstoffe spielen bei Entzündungsprozessen eine tragende Rolle und werden bei Erkrankungen wie Neurodermitis vermehrt ausgeschüttet.
Zytokine, wie beispielsweise Interleukin-4 und Interleukin-5, zeigen dabei die Eigenschaft, dass sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden und somit Einfluss auf das Gehirn nehmen. Dies gilt insbesondere in der kindlichen Entwicklungsphase, wenn der Reifungsprozess des Gehirns noch nicht abgeschlossen ist.
Die Veränderungen, die Zytokine beim Passieren der Blut-Hirn-Schranke auslösen, betreffen neben anderen Bereichen auch den präfrontalen Kortex. Der präfrontale Kortex wiederum befindet sich an der Stirnseite des Gehirns und zählt bei der Krankheit ADHS als wichtiges Hirnareal.
Betrachten wir einen möglichen Zusammenhang von Neurodermitis und ADHS auf physiologischer Ebene, dann ist die verstärkte Freisetzung von immunologischen Botenstoffen (wie Zytokine) eine mögliche Ursache. Denn die Zytokine stimulieren möglicherweise jene Hirnstrukturen, die eine ADHS auslösen können.
Jedoch sei dazu gesagt, dass es sich auch bei diesem Erklärungsversuch bis dato um eine reine Vermutung handelt. Wichtig ist aus Sicht der Ärzte in diesem Fall, dass selbst leichte Formen der Neurodermitis möglichst früh behandelt werden müssen.
Zusammenhang: Neurodermitis – ADHS?
Beeinflusst Neurodermitis ADHS? Oder ist es gar andersherum?
Einen möglichen Zusammenhang diskutieren Mediziner bereits seit Jahren, da beide Erkrankungen oftmals gemeinsam auftreten. Sowohl atopische Dermatitis als auch ADHS betreffen besonders die Altersgruppe von sechs bis 17 Jahren. Beide zählen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern in Deutschland.
Besonders zwei Ansätze rücken dabei immer wieder in den Fokus der Wissenschaft. Zum einen ist es die physische und psychische Belastung der Betroffenen, wie Juckreiz und Schlafprobleme, die zu Stress und somit zu Wechselwirkungen führt.
Zum anderen sind es immunologische Botenstoffe (Zytokine), die bei Hautentzündungen vermehrt freigesetzt werden, und Auswirkungen auf das Gehirn haben.
Aussagekräftige und wissenschaftlich belegte Erklärungen fehlen jedoch bis heute. Ein Zusammenhang ist somit durchaus denkbar – beruht bis dato jedoch auf Vermutungen.
Leidest du selbst an ADHS? Du kannst dich jederzeit auch mit anderen Betroffenen in unserer Facebook-Gruppe austauschen – wir freuen uns auf deine Geschichte!
FAQ zu Neurodermitis – ADHS
Ist ADHS vererbbar?
Zwillings- und Familienstudien sowie molekulargenetische Untersuchungen zeigen, dass genetische Faktoren eine wichtige Rolle bei der Entstehung von ADHS spielen. Die Störung ist laut Wissenschaft jedoch nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Es handelt sich vielmehr um ein Zusammenspiel mehrerer Komponenten. Dazu zählen neben genetischen Faktoren auch Umweltfaktoren, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie soziale Einflüsse.
Beeinflusst atopische Dermatitis ADHS?
Nach aktuellem wissenschaftlichen Stand ist ein Zusammenhang zwischen atopischer Dermatitis und ADHS möglich. Allerdings gibt es hierfür noch keine ausreichenden Belege. Wechselwirkungen und Beeinflussung der beiden Erkrankungen könnten laut Medizinern beispielsweise auf Stress oder auf immunologische Botenstoffe (wie Zytokine) als auslösende Faktoren zurückgeführt werden.
Leidet mein Kind an ADHS?
Weltweit leiden rund fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen an der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Die Symptome zeigen sich hauptsächlich durch Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwächen, impulsive Verhaltensweisen und ausgeprägte Unruhe. Ein Arzt oder Psychotherapeut erstellt die Diagnose mittels diverser Untersuchungen über einen längeren Zeitraum (mindestens sechs Monate).
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Quellen:
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Strom M.A., Fishbein A.B., Paller A.S., Silverberg J.I. (2016): „Association between atopic dermatitis and attention deficit hyperactivity disorder in U.S. children and adults“, in: The british journal of dermatology. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27105659/ (Zugriff am 29.06.2021)
Xu Y.-C., Wang J.-P., Zhu W.-J., Li P. (2020): „Childhood atopic dermatitis as a precursor for developing attention deficit/hyperactivity disorder“, in: International journal of immunopathology and pharmacology. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33045857/ (Zugriff am 29.06.2021)
Eugenie ist die “gute Haut” von Farbenhaut und leidet nicht selbst an Schuppenflechte. Durch Familienangehörige ist sie jedoch bestens damit vertraut. Seit Januar 2019 liefert sie regelmäßig spannende Texte und weiß dem Leser Inhalte näherzubringen.
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