Neurodermitis ist eine Erkrankung, die oft auch auf die Psyche schlägt, weshalb viele Betroffene eine psychologische Behandlung in Anspruch nehmen. Dies liegt zum einen daran, dass sich die Neurodermitis-Betroffenen oft für ihre Krankheit schämen. Zum anderen geht es aber auch darum, dass die Lebensqualität deutlich eingeschränkt ist und bei schweren Schüben Termine oder Treffen abgesagt werden müssen. Treten häufig Schübe auf, wird der soziale Kontakt immer weiter reduziert, da es den Betroffenen oft unangenehm ist, immer wieder Treffen abzusagen und die Freunde zu vertrösten.

Dies alles geht nicht spurlos an einem Neurodermitiker vorbei. Gleichzeitig können psychische Belastungen auch Schübe auslösen und somit die Erkrankung deutlich verschlechtern. Aus diesem Grund sind zahlreiche Neurodermitis-Patienten in psychologischer Behandlung.

Welche psychischen Belastungen können bei Neurodermitis auftreten?

Die psychischen Belastungen bei atopischer Dermatitis können sehr vielfältig sein. Dabei können gerade die seelischen Belastungen Schübe auslösen und die Betroffenen geraten praktisch in einen Teufelskreis. Nicht nur das häufige Kratzen, sondern auch die deutlich sichtbaren Stellen werden oft als sehr unangenehm empfunden. Auch das psychische Wohlbefinden leidet darunter. Daher ist eine psychologische Behandlung immer sinnvoll, wenn du an Neurodermitis leidest.

So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass Stress die Krankheit beeinflussen kann. Stress kann durch seelische Belastungen ausgelöst werden. Auch Druck oder Konflikte können Neurodermitis-Schübe auslösen. Es zeigt sich auch schon im Namen „Neurodermitis“, dass das Nervensystem „neuro“ eine große Rolle dabei spielt. Trotzdem ist die atopische Dermatitis keine psychische, sondern eine körperliche Krankheit.

Zärtlichkeiten werden vermieden

Schon im Kindesalter entstehen die ersten seelischen Probleme durch die Erkrankung. Insbesondere Zärtlichkeiten und Zuwendungen sind für Kinder im heranwachsenden Alter von besonders großer Bedeutung. Leider ist dies jedoch nicht immer möglich, da die Kinder beim Drücken oder Kuscheln Schmerzen durch die Krankheit haben. Gleichzeitig ist dies auch für Eltern ein großes Problem, da sie nicht unbefangen mit dem Kind umgehen und körperliche Nähe schenken können. Hier kann eine psychologische Behandlung von Vorteil sein, um Hilfe aufzuzeigen.

Meist entstehen schon hier die ersten psychischen Probleme. In der Regel ist es so, dass Nähe, Zärtlichkeit und Berührungen eine positive Empfindung hervorruft. Bei Kindern mit Neurodermitis hingegen rufen die Berührungen ein Unbehagen aus, da diese mit Schmerzen verbunden sein könnten. Somit werden schon im frühen Kindesalter Berührungen und Nähe abgelehnt, was sich dann natürlich auch auf das Erwachsenenalter auswirkt.

Mobbing und Hänseleien bei Neurodermitis

Je älter die Kinder werden, desto häufiger werden sie gehänselt oder gemobbt, wenn sie an Neurodermitis leiden. Sie werden wegen ihrer Hauterkrankung abgelehnt und ausgegrenzt. Dies führt dazu, dass das Selbstwertgefühl massiv gemindert wird und auch hier psychische Probleme auftreten. Verstärkt werden kann dies vor allem noch durch die Befreiung beim Sportunterricht, um Hautreizungen zu vermeiden. Im Erwachsenenalter können sich diese Probleme in Kindergarten und Schule vor allem auf die Berufswahl wie auch auf die Entstehung von Partnerschaften und bei Freundschaften auswirken. Wer hier früh genug eine psychologische Behandlung in Anspruch nimmt, hat im Erwachsenenalter mit Sicherheit weniger Probleme.

Körperkontakte auf ein Minimum beschränken

Durch die Hautschmerzen lernen Kinder schnell, dass sie enge Kontakte auf ein Minimum beschränken müssen. Eine Umarmung, eine Rauferei mit Freunden oder auch ein Kuss auf die Wange zur Begrüßung sowie Händeschütteln löst nicht nur ein unangenehmes Gefühl aus, sondern oft auch Schmerzen, wenn ein Schub da ist. Dies zieht sich durch jedes Alter und kann dann natürlich, insbesondere in der Partnerschaft, zu schweren Problemen führen.

Es gibt noch viele weitere Belastungen, die einem Neurodermitiker zu schaffen machen. Dies sind die wichtigsten, die wir für dich hier aufgeführt haben. Aus diesem Grund ist es aber umso wichtiger, die seelischen Belastungen unbedingt anzugehen und sich Hilfe zu suchen. Denn wie du weißt, kann jede Art von Stress einen neuen Schub auslösen und psychische Belastungen sind häufig daran schuld, wenn es wieder zu einem Neurodermitis-Schub kommt.

Wie läuft eine psychologische Behandlung bei Neurodermitis ab?

Wie sich schon oft gezeigt hat, ist eine medikamentöse Behandlung bei Neurodermitis nicht immer ausreichend. Denn gerade die seelischen Probleme können mit Medikamenten nicht verhindert oder langfristig gebessert werden. Daher solltest du eine psychologische Behandlung in Erwägung ziehen. So kannst du lernen, bessr mit der Erkrankung der seelischen Belastung umzugehen. Dabei haben sich folgende Strategien der psychologischen Behandlung als sehr erfolgversprechend gezeigt:

  • Wissensvermittlung durch den Therapeuten,
  • Entspannungstechniken für zu Hause,
  • Kratzkontrolltechniken,
  • Selbstkontrolltechniken,
  • Förderung sozialer Fertigkeiten und
  • Kreativtherapien.

Die wichtigsten und erfolgreichsten Therapieansätze einer psychologischen Behandlung möchten wir dir hier ausführlich erläutern:

Wissensvermittlung: Der Neurodermitis-Betroffene wird hier eingehend informiert. Dies umfasst die Haut und ihre Funktion, die Erkrankung selbst wie auch die Möglichkeiten der Therapie sowie der eigenen Einflussnahme. Zudem wird bei jedem individuell herausgefunden, welche Faktoren Schübe auslösen und welche Triggerfaktoren vorliegen. Bei Kindern werden immer die Eltern mit einbezogen, damit die Maßnahmen entsprechend umgesetzt werden können. Auch das Führen eines Tagebuchs ist von großer Bedeutung, damit hier genau gesehen werden kann, was etwa einen Schub ausgelöst hat. Zudem müssen Fragebögen ausgefüllt werden, um den Krankheitsverlauf zu beobachten.

Entspannungstechniken: In der Therapie werden Techniken zur Entspannung gezeigt, um den Juckreiz unterdrücken zu können. Hier ist es wichtig, das Nervensystem zu beruhigen und so dazu beizutragen, den Juckreiz zu stillen. Gleichzeit können innere Spannungen gelöst werden, da auch dies dabei behilflich ist, den Juckzwang zu reduzieren. Vor allem das Autogene Training kann hier Erfolge erzielen, weshalb es sehr gerne angewendet wird. Beim Autogenen Training wird der Betroffene darauf trainiert, die einzelnen Körperregionen besser wahrzunehmen. Weiterhin kommt eine progressive Muskelrelaxation zum Einsatz, welches ideal für Kinder ist. Neurodermitiker lernen bei dieser Methode die einzelnen Körperpartien kontrolliert anzuspannen und zu entspannen.

Neben oben genannten Therapien kann auch das Imaginationsverfahren helfen. Hier müssen die Betroffenen ihre Vorstellungskraft nutzen und sich etwa eine Wanderung in einer winterlichen Berglandschaft vorstellen oder ein Spaziergang am Meer im Winter. So können sie einen kühlenden und beruhigenden Effekt auf der Haut wahrnehmen und den Juckreiz reduzieren. Diese Therapie ist besonders bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt und wird häufiger gewählt als Autogenes Training oder die Progressive Muskelrelaxation.

Kratz- und Selbstkontrolltechniken: Bei der Kratz- bzw. Selbstkontrolltechnik in der psychologischen Behandlung geht es um die optimale Hautpflege für die Betroffenen. Gleichzeitig führt dies dazu, dass Juckreizauslöser vermieden werden können. Des Weiteren wird bei dieser Therapieform auch geübt, dass der Patient nicht mit Kratzen, sondern mit anderweitigen Bewegungen auf den Juckreiz reagiert. Dies kann beispielsweise sein, dass die flache Hand mit Druck auf die juckende Stelle gelegt wird. Auch die Sensibilisierung der Krankheit spielt eine Rolle und bei jedem Juckreiz sollen die Betroffenen darauf achten, was der Auslöser war. Konnten sie diesen lokalisieren, geht es im nächsten Schritt darum, diesen Auslöser zu beeinflussen.

Soziale Fertigkeiten: Hier geht es vor allem darum, das Selbstwertgefühl zu stärken und bei Beziehungsproblemen eine Hilfestellung zu geben. Gerade Neurodermitiker haben oftmals Probleme in der Beziehungsgestaltung, da sie zum Beispiel Nähe und Liebkosungen bei Schüben nicht mögen. Partner verstehen das nicht immer und können das nicht nachvollziehen. Daher soll der Betroffene in dieser Behandlung lernen, ein zufriedenes Leben mit der Erkrankung zu führen und das Selbstwertgefühl zu verbessern. Insbesondere in diesem Bereich besteht eine sehr enge Verknüpfung zwischen der seelischen Befindlichkeit und dem Verlauf der Erkrankung. Dabei kommen verschiedene Methoden zum Einsatz.

Neben dem Selbstsicherheitstraining können auch eine Verhaltens- und Gruppentherapie, Familientherapien, Rollenspiele und kreative Therapien zum Einsatz kommen. Je nach den individuellen Interessen oder Fähigkeiten ist eine solche Therapie durchaus sinnvoll und kann den Betroffenen dabei helfen, besser mit der Erkrankung umzugehen. Selbstverständlich sollten die Eltern bei Therapien von Kindern und Jugendlichen mit einbezogen werden. Denn gerade die Anwendung im Alltag ein wichtiger Aspekt, um die Lebensqualität deutlich zu verbessern.

Das kannst du als Betroffener tun

Wichtig ist vor allem, dass du dir helfen lassen möchtest und dich nicht hinter deinen seelischen Belastungen versteckst. Leider gibt es in Deutschland derzeit das Problem, dass es zu wenige Therapieplätze gibt. Doch genau hier gibt es bereits einen hervorragenden Ansatz, der dir definitiv helfen kann, die Zeit zu überbrücken. Mittlerweile gibt es in vielen Städten und Gemeinden Therapiegruppen, die von Betroffenen ins Leben gerufen wurden. Auch wenn hier in der Regel keine Therapeuten anwesend sind, kann der Austausch bereits ein wichtiger Ansatzpunkt sein, um deine psychische Belastung zu reduzieren. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann dir dabei helfen, Probleme, Stress oder Mobbing besser verarbeiten zu können.

Oftmals haben einige Betroffene auch schon Therapien besucht und können hier eine wichtige Hilfestellung sein, um ihre Erfahrungen zu teilen und so anderen Betroffenen zu helfen. Leidet dein Kind an Neurodermitis, solltest du bereits im Kindesalter eine Therapie ins Auge fassen, um frühzeitig gegen die psychischen Probleme vorzugehen. Doch auch hier kann eine Gruppe für Betroffene ein wichtiger Helfer sein, wenn die Wartezeiten zu lange sind.

Gerade bei Kindern ist es wichtig, von Anfang an das Selbstwertgefühl zu stärken, weshalb eine psychische Behandlung in Erwägung gezogen werden sollte. In Kindergarten und Schule müssen viele der Kinder oft einiges mitmachen, wenn ihre Haut anders aussieht. Hier ist es besonders wichtig, als Elternteil das Selbstwertgefühl zu stärken und den Kids ihre Stärken aufzuzeigen. Zudem ist es wichtig, die Kinder aufzuklären, mit ihnen den richtigen Umgang mit der Krankheit zu erlernen und ihnen zu erklären, was gut und was schlecht für sie ist.

FAQ:

Ist für jeden Neurodermitiker eine psychologische Behandlung sinnvoll?

In der Regel ja. Wie bereits beschrieben, geht es hier rund um die Probleme bei Neurodermitis. Insbesondere die unterschiedlichen Therapien helfen dabei, den Juckreiz zu unterdrücken und sich abzulenken. Zudem werden z.B. Probleme beim Führen einer Beziehung thematisiert und mit wichtigen Tipps begleitet. Doch auch das Selbstwertgefühl, das bei vielen Neurodermitikern angegriffen ist, soll verbessert werden, damit es sich mit der Krankheit besser leben lässt. Auch für Kinder ist eine solche Behandlung absolut zu empfehlen, da sie so schon von klein auf besser mit der Erkrankung umgehen können.

Wird die Therapie von der Krankenkasse übernommen?

Die Kostenübernahme für eine psychologische Behandlung bei Neurodermitis wird von Kasse zu Kasse (oft auch abhängig von der Schwere der Erkrankung) unterschiedlich behandelt. Du solltest auf jeden Fall einen Antrag auf Übernahme der Kosten stellen und bei Ablehnung direkt Einspruch einlegen. Wie viele Nutzer berichten, kann ein Einspruch manchmal Wunder bewirken. Leider wird bei Neurodermitikern kaum etwas von den Kassen übernommen und die Betroffenen müssen beispielsweise schon die Basistherapie aus eigener Tasche zahlen. Ein Versuch ist es aber auf jeden Fall wert.

Muss ich bei den Therapien von Kindern und Jugendlichen immer dabei sein?

Grundsätzlich gilt, dass Therapien von Kindern immer in Begleitung der Eltern stattfinden sollten. Bei Jugendlichen ist es bei manchen Sitzungen sinnvoll, sie zu begleiten, bei anderen Sitzungen eher nicht. Dies kommt immer auf die jeweilige Therapie an. Der Therapeut wird dich darüber informieren, bei welchen Sitzungen du dabei sein solltest und welche du gerne auslassen kannst. Sicher kommt es hier auch auf dein Kind an, welches natürlich ganz individuell ist. Manche Kinder wünschen sich die Eltern immer an ihrer Seite, andere hingegen bevorzugen es, die Therapie nach Möglichkeit alleine zu besuchen.

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Bieber, T. et al.: Global Allergy Forum and 3rd Davos Declaration 2015: Atopic dermatitis/Eczema: challenges and opportunities toward precision medicine. In: Allergy, 2016, 71(5): 588-92

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Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Forschung et al.: „ULLAs Praxis – Die Umsetzung der Leitlinie Atopische Dermatitis in die Praxis“, in: Pädiatrische Allergologie, 2009, 12(2): 25 – 36